Grelle Lanzen aus Barracken stoßen in die Gassen Phiolen dunst’ger Schleier sich auf ihnen entleeren Ein Zwerg murrt in Versen, was wir Zwerge eben hassen Und straff gespannte Trauben wollen längst an Ästen gären
Graue Würmer winden sich starr durch die mürrische Stadt Ein Nachbar streift in pinkem Frack schnatternd um Gebäude Und steht dann nah den Klippen, weil er sich vergessen hat Ein Hecht derweil erzählt, wie er seine Zeit vergeude
Gurgelnd kurvt ein Wohnmobil des Nächtens durch Alleen Ein kesser Knabe spielt galant in Strumpfhosen Geige Verrückte Tänzer naschen in seinem Takte Schlehen Und beten, dass er ihnen den Weg zur Krippe zeige
Rosa-weiß auf Silberfäden Hallo Spinner! Hallo Rad! Der Ostwind reihert fette Wolken In seine kuskusgrauen Weiten Dschihad! Die Pfützen und Wälder und Schützen und Gärtner Erklären den Hunden und Kälbern den Krieg In unserer Mitte spuken Greise In unseren Kreisen splisst das Volk Nur wir selbst, wir trinken Wermut Aus rosa-weißen Fläschchen Und pachten unsre Ländereien Bis der Mond sich übergibt Weil ich den sauren Rahm in unseren engen Kleidern mag
Es war eine kalte Nacht. Ein Blick in den Himmel aber genügte, um alle Temperatur vergessen zu machen. Abertausend Lampen glommen zwischen dem schmächtigen Funkeln der Sterne und überstrahlten diese mit einem künstlichen Glanz, der einem automatisch Synthetikmief in die Nase trieb.
Nein, was sie empfand, was da ihren Rücken hinunterkroch, wenn sie den Kopf in den Nacken legte und in die grelle Schwärze vor dem Universum schaute, war weitaus mehr als bloße Kälte. Von einem mickrigen Schauer ganz zu schweigen. Sie blickte schnell wieder auf die nasse Straße zu ihrer Rechten und dachte, dass diese mit ihren flackernden Lichtreflexionen und der beinahe majestätischen Leere viel eher wie ein nächtlicher Himmel wirkte. Also spazierte sie nur wenige Zentimeter neben dem Himmel und den röhrenden Vögeln, die ab und zu an ihr vorbeibrausten, und verhakte die Finger hinter dem Rücken ineinander.
Es lag bereits vier Jahre zurück und dennoch frequentierten die Erinnerungen immer noch regelmäßig ihr Denken. Wie ein Bombenregen schossen sie auf ihren Verstand nieder und umzäunten ihr Fühlen. Mit tiefer Melancholie im Bauch dachte sie an alte Zeiten. An Gelegenheiten, die parallel zueinander verlaufen waren und an soviel Unentschlossenheit in einem Meer aus Impulsivität. Nun kam er doch, der Schauder und sie schüttelte sich unmerklich. Kleine Tropfen perlten von den groben Maschen ihres zweifarbigen Wollpullovers. Das Gefühl in ihren Mundwinkeln wollte sie zu einigen nonchalanten Tränen nötigen. Seufzend stellte sie sich die Frage, ob zu Ehren alter Augenblicke oder zu deren bloßer Schande. Sie unterdrückte das Bedürfnis zu weinen und ließ den Blick wieder über den Kunststoffhimmel wandern. Wie ungelenk und gebunden sie sich im Vergleich zu damals fühlte, wie allein, verlassen, klagend. Es war erbärmlich, dessen war sie sich bewusst. Hundserbärmlich.
Und wieder brauste einer der matten Vögel an ihr vorüber und bespritzte ihre Kleidung mit weiteren schmutzigen Wasserresten der Fahrbahn. Nie wünschte sie sich in solchen Augenblicken den nächsten Morgen herbei, immer nur den vorangegangenen, oder den davor, oder alle davor, und die Zeit zum Teufel und seinen giftigen Weibsbildern. Der BH zwickte unangenehm an ihrem Rücken, aber sie unternahm nichts dagegen. Es war eigentlich ein recht willkommenes Gefühl. Morgen würde sie die drei anrufen und versuchen, so zu sprechen, wie sie damals wohl gesprochen hatte, ehe sich vier aufgedunsene, nutzlose Jahre zwischen sie gezwängt hatten. Vielleicht auch nur zwei von ihnen, ihn mochte sie nicht mehr so. Die Erinnerung an sein Gesicht war schon zu verblasst und lag verschoben hinter hundert anderen Mimikschablonen. Aber erst würde sie zurück nach Hause und sich in dem speckigen Sessel ein paar Gläser mit warmem Wein gönnen. Und dann, morgen, wenn sie spät, gerädert und so speckig wie ihr Mobiliar aus ihrem Bett gekrochen war, würde sie ihre verhasste Küche und den verhassten Flur sehen und sich dafür schämen, niemals den Mut des vorangegangenen Abends aufbringen zu können, ehe sie den Hund fütterte.
Aber vielleicht würde sie auch weiterwandern. Weiter, immer ein paar Schritte vom Himmel entfernt, auf einer Linie mit den Wolken und zusammen mit den Winden, neben dem Funkeln am Firmament. Und vielleicht, ganz vielleicht würde der blöde Himmel dort enden, wo tatsächlich keine Zeit mehr existierte. Wo Gestern gleichwohl Morgen ist und wo Jahre Spucke sind. Und wenn dieser Ort beim Teufel sein sollte, so würde sich nicht zögern, eines seiner giftigen Weibsbilder zu sein.
Auf unsrer Reise, dem Gehörnten hinterher Der Spur aus Fliegendreck und Ebbe täglich nach Wo Schritte Gruben heben, floss einst tiefes Meer Wo er schon war, da liegen reiche Felder brach
So grau und ausgebrannt, denn Teufelswind macht karg In Felsenklüften, Geestgerippen, Höhlenland sitzt Asche, die das Land vor Jahreszeit verbarg Doch frisch und neu wirkt nun, was unlängst noch verbrannt
In schwachen Turmruinen finden wir ein Blatt Das uns im Staub die Regeln eines Spieles lehrt Ob es der Teufel dafür hinterlassen hat Damit es die Jäger durch Lust zu ihm bekehrt?
„Blick aus zum Horizont, halt deine Lungen still Schließ die Augen, senk die Zung‘, zähl im Geist bis zwei So mag erkennen, wer fürwahr erkennen will Soll die Zinnen schauen und blinzeln bei der drei
Erst bei der Neune sollst du nach Atem greifen Hast die gelbe Feste sechs Zahlen lang erblickt Der Preis hierfür? – Nur dein innerlich Begreifen Ist es nicht das, weshalb ihr nach dem Teufel schickt?“
So steht es schwarz auf weißem Pergament notiert Krauser, feuchter Stirn entziffern es die Recken Eng an eng sie lesen, derweil es draußen friert Der Drang zum Spiele erstickt bald allen Schrecken
Der Satan selbst hat uns zum Duell gebeten Von Feuer und Fusel mit Wagemut bestückt Will so mancher nun dem Fürst entgegentreten Sie sprechen vor, ein jeder hat sein Schwert gezückt
Mit Blitzschlag ist die Nacht ein junges nacktes Weib Ein greller Stern speit Funken in das blasse Meer Die Männer zucken als des Teufels Zeitvertreib Und draußen blökt vor Lust ein ganzes Ziegenheer
Die Brandung walzt an Klippen und die Spieler sind Verdorben und verstreut, für immer sein Gewinn Nur Lachen gelber Asche, sie kräuselt sich im Wind Setzt sich in die Mäntel, auf Haut und in den Sinn
Zehn leere alte Gäule, vier stumme Reiter Und viele Meilen war alles, was wir hatten So ziehen wir stet durch Aschegärten weiter Und jagen folgsam in seinem langen Schatten
An die, die hinter und nicht vor sich gähnend tiefe Gruben graben die köpfen und nicht scheiteln und greifen statt zu schieben
An all die Mageren, schwarzen Ringer, die narzisstisch Kinder morden an die, die sich zu früher Stunde bekennen zum Vergiss-Dein-Orden
Sagt - und sprecht in Versen…
Erfasst ihr auch das Regelwerk Der warmblütigen Dämmerspiele Mit jedem kleinen Randvermerk? Verkennt ihr nicht das wahre Ziele Der Unzahl eurer Trippelschritte, die einst mal fort und einst mal hin bewegen sich zur Tagesmitte Mit Schuhwerk fest und ohne Sinn?
Habt ihr, wie Priester ihre Andacht, zum Gähnen euch im Hinterkopfe den Schwur des Ordens selbst erdacht und eurem eignen Herzgeklopfe artistisch ins Gesicht gelacht So denn das Blut den Kopf verstopfe?
Und wenn ihr licht und angepinselt Mit Feuersteinen Regeln brecht, sagt, was dort an euer Ohre winselt, Ist es nicht euer Schrei nach Recht? Der, wenn ihr euch schlafend stellt, als Aal durch eure Kehlen glitscht und Wehe in die Sterne bellt Als Laut, der sich mit Licht vermischt
„Die Dekadenz versteh‘ ich nicht Trotz ich um ihren kalten Klang Und ihrer Funkelaugen Sicht In meiner Jugend Jahre rang Ich armer, selbstverlor‘ner Wicht bin selbst kaum, was ich stets verlang“
Mag euer ungebund‘nes Tanzen Wohl doch nur falsches Torkeln sein, Ein insgeheimer Schritt vor Lanzen? Und jeder fruchtig süße Wein Soll nicht für Freiheit und Gewalt Euch streckenhaft Vergessen lehren Sondern nur Aas und Missgunst bald In euren eignen Schatten kehren?
Grabt ihr vielleicht nicht ob der Tiefe Und ihrem dunklen Grubenerz? Trennt ihr den Sand bis ins Reliefe Wohl etwa nur, weil euer Herz Bloß Erde und Gesteine sucht Und ihr mit Schaufeln graben müsst Damit euch, wenn ihr Nächtens flucht, Das Echo keusch als Fremde küsst?
Wenn dann die feige Nietzschekrähe Ihr Lock-mich-fort zum Himmel schnarrt - Die schlanke Winterkoryphäe - Habt ihr euch in den Ton vernarrt Nehmt nur Reißaus, flieht aus dem Eis Und baut aus Brennholz euer Heim Wisst ihr denn nicht – der Schnee ist weiß Er darf nicht warm und farbig sein Denn jeder Schritt, den ihr nun hastet Ist fest und tief in ihn geprägt Da Schwere euch den Sinn belastet Der weder Tanz noch sich verträgt
So nehmt ihr auch, jetzt wird es klar, die Hürden um des Grauens willen Ihr könntet nie den Kinderzar An euren schlaffen Brüsten stillen So stürzt in eure falschen Schächte Die nun doch wieder vor euch klaffen Die Königin der milden Nächte Wird Neue eurer Art erschaffen
Mir dünkt, die Wichte eures Schlages Mit breitem Kreuz und langer Tracht Sie wollten sich zuletzt nichts Arges Und haben sich doch umgebracht Man sieht sie unter jenen stehen Die sie mit ihren Liedern kränken Und leise Vers für Vers vergehen Die Minne über Wert verschenken
Dankt dem Vater, dankt der Mutter Und paart euch selbst die Gene wund Die Noten retten – sagt schon Luther So führt dem Kinde an den Mund Das Blasstück jeder Blechposaune Und prägt ihm Ordensverse ein Auf dass es dann im Alter staune „Ich war so frei, so stark, so rein! Kein Mensch erfuhr je meine Größe Wer kann schon jene Tränen schmecken, Die jeder opfert, fern der Blöße, Der es versteht, sich fort zu recken“
Erkennt ihr Augen, Nase, Mund? Seht ihr in euren Findelkindern Dem eigenen Gesicht auf Grund? Vermag es eure Schmach zu lindern Dass ihre Fratzen euren gleichen? Wenn nicht, soll es euch daran hindern Mit Wasserblut die Welt zu bleichen! Könnt ihr euch schon nicht selber mindern So dürft ihr... mit der Zeit verstreichen