Samstag, 27. Juni 2009

Mein Freund Magnus

Magnus ist mein Freund
Und siehe da!
Wie er am Brunnen steht
Und seine Spiegelfratze
Mit Steinen bombardiert
Magnus ist mein Freund
Und doch!
Streut er die Steine
Tag für Tag
Über sein Antlitz mit Bedacht
Schon früh
Bevor die Sonne
Zu drehen sich beginnt
Stolziert er hinauf
Den Berg hinauf zum Brunnen
Und sammelt Kiesel – von dem Wegesrand
Mit ruhiger Hand
Und spät
Wenn schon die Sonne
Nicht mehr dreht
Sieht man ihn aus der Ferne
Aus der Ferne
Am Brunnen stehen
Und Steine werfen
Niemals kniend
Niemals kauernd
Niemals ruhend
Immer Steine streuend
Auf sein Spiegelantlitz
In den Brunnen
Magnus ist mein Freund
Und doch!
Ist seine Sprache stumm
Ist seine Sprache stumm und quer
In seinen Worten scheinen auch
Die Steine seiner Wege aufzuragen
Vor etwas Zeit
besuchte ich
Magnus, meinen Freund
Und traf auf ihn
Gehüllt in viele Laken
Denn es war Nacht
Denn es war kalt
Da ich sanft mein Worte
An meinen Freunde Magnus trug
Schlug er die Augen auf
Die Augen klar wie Wasser
Und sprach in leisen
Leisen, kaum hörbaren Versen
Ganz nächtlich schlimme Dinge
Und jede Silbe seines Brunnes
Erstreckte sich durch Stunden
Bis schließlich dann
Bis schließlich dann der Morgen graute
Und er aus seinen Laken klomm
Magnus ist mein Freund
Und doch!
Liebt er den Brunnen mehr als mich
Und doch!
Liebt jeder Stein den Magnus mehr
Als ich mit meiner ganzen Freundschaft
Zu können es vermöge
Und wenn auch tausend Rösser zögen
Deshalb nenn‘ ich ihn meinen Freund
Deshalb will er mir
Will er mir einen Brunnen bauen
In den auch ich, so ich denn will
Die Steine, die ich finde
Auf jenes Antlitz werfen kann
Das zu mir in die Höhe schaut
Magnus ist mein Freund
Und doch!
Errichtet er den Brunnen
Der unsrer Freundschaft angedacht
Nie und nicht an keinem Tage
An keinem Tage steht er auf
Und streut nicht seine Steine
Anstatt mit ihrer Masse
Den Brunnen mir zu bauen
Magnus ist mein Freund
Und doch!
Erkenne ich erst spät
Dass alle Steine
Alle Steine seiner Wege
Nicht passen
Für den Brunnenbau
Weil all die schwache Erde
Weil all die vielen Steine
Zu schwer sind für den Berg
Und sich selbst
Zu Stäuben pressten
Wenn man sie aufeinandersetzte

199 Worte

Sie erkennen, wie der Tod in der Menge steht und raucht.
Seine stromlinienförmigen Falten, die sich über das Gesicht ziehen, wirken wie Canyons.
Ihre Sinne nehmen ihn war, sind sensibel für ihn, weil sie verliebt sind.
Weise und verliebt.
Ihre Bitte an ihn, sich eine Hand vor die Augen zu halten, findet Gehör.
Der Tod schmunzelt und die Falten wandern über den Stirnknochen wie rastlose Dünen.
Sie nehmen seine Hand, die andere, und führen ihn durch die Menge; jeder hält zwei seiner Finger umschlossen.
Lotsen ihn vorbei an der Hexe, führen ihn am Stand vorüber, der Gebäck gegen Scheine eintauscht.
Die Schar der Menschen lichtet sich langsam, der Platz liegt im Rücken.
Zwei Verliebte und ein Mann in Schwarz.
In einer Gasse machen sie halt. Die Fassaden der Häuser rücken näher zusammen.
Auf seinem Weg zum klammen Betonboden wird das Licht von den Wänden verschluckt und weit entfernt lockt ein Kater seit Mittag schon.
Sie setzen sich in ein Beet aus Kieseln, dem Tod zu Füßen, der ungeduldig auf den Sohlen seiner Stiefel wippt.
Etwas Wind verfängt sich in seinem Mantel und der Schatten zwitschert angespannt durch die Gasse.
Er nimmt die Hand von den Augen. Überall ist Licht.

Montag, 8. Juni 2009

Ergebenste Glückwunsche, Frau A.

Sie erstellt Webseiten für Freunde und Bekannte, die halbe Welt scheint an sie heranzutreten, wenn eine virtuelle Präsentation vonnöten ist, die auch was hermacht.
Als ich scherzhaft sprach, sie habe auch mir ein kleines Onlinereich zu erstellen (mit nichts als einem Blog, so endete die neckische Aufforderung), hatte ich nach Sekunden einen Link vor mir, der mich hierher führte. Das und eine Mail von Google, die mir nahelegte, ich möge doch bitte meine E-Mail verifizieren oder sagen, dass ich den angebotenen Dienst auch ohne Aufforderung nutzen möchte.

Nun, hier bin ich. An dieser Stelle vielen Dank, Frau A., ich bin beeindruckt, beschämt und auch ein wenig ratlos.

Zum einen mag ich keine Blogs. Aus Prinzip. Publizierte Worte haben in meinen Augen lange Zeit etwas Gewichtiges gehabt. Sie waren etwas, dem man Aufmerksamkeit zollte, da man eine gewisse Substanz erwarten konnte. Sicher traf dies nicht immer zu, doch die Möglichkeit befand sich durchaus im Rahmen.
Nun, da jeder alles verbreiten kann, findet man sich in einer Flut aus Beliebigkeit wieder. Nicht jeder hat etwas zu sagen - und kaum jemand Dinge von Belang.
Das beste Beispiel dürfte ich abgeben, der in seinem Leben nicht ein Werk der Popliteraur zuende gelesen hat, sich im Eingangsbeitrag aber dennoch über dieses Genre echauffiert, als wäre es nicht nur Recht, sondern auch höchste Pflicht.

Zudem bin ich mir gar nicht so wirklich darüber im Klaren, was denn überhaupt in einen solchen Blog hineingehört. Ich sah ihn stets als eine Art öffentliches Tagebuch - was ja für sich schon etwas wunderlich anmutet. Aber dann hätte sich dieses Werkzeug wohl nicht etablieren können.
Also eher ein Meinungsaustausch, der ein wenig einseitiger als in einem Chatroom ausfällt? Oder doch eine Plattform für Essays und persönliche Brennpunkte?
Na ja, ich schreibe hier schließlich auch irgendwas hin.

Und wer liest das Ganze überhaupt? Sucht man sich seine Leserschaft aus, indem man Freunde und Bekannte auf seine neue Mitteilungszentrale aufmerksam macht? Sorgt die jeweilige Plattform mittels zufälliger Angebote und Bewertungssystem dafür, dass die Interessierten von sich aus zum Berg finden?
Ich könnte mich natürlich auch fix informieren, aber was für Stoff hätte ein Blogger wie ich dann zum bloggen?


Im Übrigen hatte Frau A. bis vor grob einer Stunde Geburtstag, sie sieht aber immer noch gut aus. Außerdem habe ich eine Schuld bei ihr, deren Frist vermutlich schon verstrichen ist oder gerade im Begriff ist, dies zu tun.
Ich hoffe, sie lässt Gnade vor Recht walten, wenn sie sieht, mit welcher Inbrunst ich ihr neues Spielzeug nutze.
Herzlichen Glückwunsch nachträglich.

Sonntag, 7. Juni 2009

Popliteratur: Der Mann mit dem eckigen Gesicht


Gepflegte, reinlich rasierte deutsche, markant eckig, medienwirksame Profile. Reden von kleinen Menschen, von Völkern, Völkchen und assoziieren einen Blick auf die Gesellschaft. Betreiben Literatur, die spiegeln soll, den Protagonisten und, aufgrund der fast deckungsgleichen, weil autobiographisch kreierten, Figur, auch den Leser im Laufe der Geschichte entlarven, was zugleich Nahrung, Triumph und Atem dieser Werke darstellt. Dass auf diesem Wege Kreativling und literarische Ergüsse ebenso entlarvt werden, stellt den selbstironischen Teil dar, der sie in Interviews mit popkulturellen Persönlichkeiten, um einen modernen Schreibtisch herum, mit modischem Hemd, legerer Anzugshose, auf der Schneide von seriös und sympathisch, der identifizierten Leserschaft schmackhaft macht und für ein paar Tage Eisidole in einer durch Reibungsenergie glühenden Glätte zaubert. Und weil sie eben über sich selber lachen, sich vor einer Hundertschar ausziehen und diese so und nur so zum johlen bringen, enden diese Geschichten gut. Deswegen gibt es zwischen Onanie und Fernsehen auch noch Liebe und die Vollkommenheit eines absichtlich unvollkommenen Mikrokosmos hinterm Kaleidoskop.

Idole, die selber nicht wissen, wohin, die irgendwo potenzierten Intellekt haben, vielleicht auch nicht, und diesen analytisch dazu nutzen, das Nichts, das sie um sich herum erblicken, niederzuschreiben. Kurz, prägnant, wie Mehlspeise. Keine Kauarbeit, leicht zu verdauen, lange sättigend. Breiig. Grau. Betäubend. Futter, das nichts kostet, nichts bringt. Sie wissen dies, vielleicht schauen sie selbst oft irritiert zur Seite und stellen sich die Frage, ob eine Analyse eventueller Missstände tatsächlich das ist, was sie befriedigt. Es entsteht ein Hungerergefühl, das befriedigt werden soll durch Arbeit für renommierte Kolumnen reservierter Zeitungen, durch jugendliche Blogs und Domizile im Ausland, fliehend vor der Gruppe, die man mit ihren Makeln beschrieben hat, wohl wissend, dass jene Beschreibung hauptsächlich ein Selbstportrait ist. Alter Hunger, der mit Mehl nie zu stillen war und nie zu stillen sein wird, aber eben nur mit Mehl gestillt werden kann.


Wenn man über kesse Zoten in Maßschuhen aber nun nicht schmunzeln kann, sondern, ganz im Gegenteil, sogar Abscheu empfindet, was liegt dann vor? Der Sartresche Ekel vermutlich. So lacht man nicht über sich und den Rest, man empfindet Müdigkeit, irgendeinen Punkt auf der elendig langen Stricke von Hass über Ohnmacht gen tiefe Traurigkeit, auf dem man unvermittelt steht und das Das und Dies um sich herum betrachtet. Längst schon nicht mehr abfällig sondern nur noch zermürbt, irgendwann dann auch nicht mehr zermürbt sondern verbittert und dann... dann hängt es wieder an irgendeiner willkürlichen Weggabelung, die einen nach Süden, Westen oder Norden trägt. Man beginnt sich zu fragen, was einen von Das und Dies unterscheidet und merkt schnell, es ist das Extrem, das es tut. Das Extrem der Empfindung, die Tiefe der Empfindung und dann, im besten und schlechtesten Falle, die Abgründigkeit der Tiefe. Hat man aber den Unterschied ergriffen, öffnet sich drohend ein Fragenkatalog: Ist man besser, weil man im Abseits steht? Ist man wahrhaft origineller? Ist man anders, weil man von sich auf sie schließt - oder von ihnen auf sich? Was bewirkt mehr, Wut oder Verzweiflung; Hohn oder Hass?


Und schon befinden wir uns im Dialog mit den Leuten, die wir verabscheuen, beide Seiten öffnen gemeinsam die Lippen und Worte, die aus speichelfeuchten Mündern rollen, bilden einen Satz: „Weder das eine noch das andere“ und es relativiert sich selber, wer lacht und wer höhnt, wer zeigt und wer greift.


Alle haben wir eckige Gesichter.

 
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