Sonntag, 7. Juni 2009

Popliteratur: Der Mann mit dem eckigen Gesicht


Gepflegte, reinlich rasierte deutsche, markant eckig, medienwirksame Profile. Reden von kleinen Menschen, von Völkern, Völkchen und assoziieren einen Blick auf die Gesellschaft. Betreiben Literatur, die spiegeln soll, den Protagonisten und, aufgrund der fast deckungsgleichen, weil autobiographisch kreierten, Figur, auch den Leser im Laufe der Geschichte entlarven, was zugleich Nahrung, Triumph und Atem dieser Werke darstellt. Dass auf diesem Wege Kreativling und literarische Ergüsse ebenso entlarvt werden, stellt den selbstironischen Teil dar, der sie in Interviews mit popkulturellen Persönlichkeiten, um einen modernen Schreibtisch herum, mit modischem Hemd, legerer Anzugshose, auf der Schneide von seriös und sympathisch, der identifizierten Leserschaft schmackhaft macht und für ein paar Tage Eisidole in einer durch Reibungsenergie glühenden Glätte zaubert. Und weil sie eben über sich selber lachen, sich vor einer Hundertschar ausziehen und diese so und nur so zum johlen bringen, enden diese Geschichten gut. Deswegen gibt es zwischen Onanie und Fernsehen auch noch Liebe und die Vollkommenheit eines absichtlich unvollkommenen Mikrokosmos hinterm Kaleidoskop.

Idole, die selber nicht wissen, wohin, die irgendwo potenzierten Intellekt haben, vielleicht auch nicht, und diesen analytisch dazu nutzen, das Nichts, das sie um sich herum erblicken, niederzuschreiben. Kurz, prägnant, wie Mehlspeise. Keine Kauarbeit, leicht zu verdauen, lange sättigend. Breiig. Grau. Betäubend. Futter, das nichts kostet, nichts bringt. Sie wissen dies, vielleicht schauen sie selbst oft irritiert zur Seite und stellen sich die Frage, ob eine Analyse eventueller Missstände tatsächlich das ist, was sie befriedigt. Es entsteht ein Hungerergefühl, das befriedigt werden soll durch Arbeit für renommierte Kolumnen reservierter Zeitungen, durch jugendliche Blogs und Domizile im Ausland, fliehend vor der Gruppe, die man mit ihren Makeln beschrieben hat, wohl wissend, dass jene Beschreibung hauptsächlich ein Selbstportrait ist. Alter Hunger, der mit Mehl nie zu stillen war und nie zu stillen sein wird, aber eben nur mit Mehl gestillt werden kann.


Wenn man über kesse Zoten in Maßschuhen aber nun nicht schmunzeln kann, sondern, ganz im Gegenteil, sogar Abscheu empfindet, was liegt dann vor? Der Sartresche Ekel vermutlich. So lacht man nicht über sich und den Rest, man empfindet Müdigkeit, irgendeinen Punkt auf der elendig langen Stricke von Hass über Ohnmacht gen tiefe Traurigkeit, auf dem man unvermittelt steht und das Das und Dies um sich herum betrachtet. Längst schon nicht mehr abfällig sondern nur noch zermürbt, irgendwann dann auch nicht mehr zermürbt sondern verbittert und dann... dann hängt es wieder an irgendeiner willkürlichen Weggabelung, die einen nach Süden, Westen oder Norden trägt. Man beginnt sich zu fragen, was einen von Das und Dies unterscheidet und merkt schnell, es ist das Extrem, das es tut. Das Extrem der Empfindung, die Tiefe der Empfindung und dann, im besten und schlechtesten Falle, die Abgründigkeit der Tiefe. Hat man aber den Unterschied ergriffen, öffnet sich drohend ein Fragenkatalog: Ist man besser, weil man im Abseits steht? Ist man wahrhaft origineller? Ist man anders, weil man von sich auf sie schließt - oder von ihnen auf sich? Was bewirkt mehr, Wut oder Verzweiflung; Hohn oder Hass?


Und schon befinden wir uns im Dialog mit den Leuten, die wir verabscheuen, beide Seiten öffnen gemeinsam die Lippen und Worte, die aus speichelfeuchten Mündern rollen, bilden einen Satz: „Weder das eine noch das andere“ und es relativiert sich selber, wer lacht und wer höhnt, wer zeigt und wer greift.


Alle haben wir eckige Gesichter.

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