Was, wenn irgendwann alle Geschichten erzählt sind?
Da die menschliche Phantasie sich zwangsweise schneller als Technik und Forschung entwickelt (schließlich unterliegt sie weniger strengen Auflagen), ist irgendwann die Welt der vorstellbaren Geschichten zur Genüge erkundet. Vorstellungsvermögen und (technischer) Fortschritt bedingen sich prinzipiell gegenseitig. Erstere gibt die Impulse für zweites, zweites erweitert die Spielwiese ersterer.
Und während die Phantasie rast, schleicht der relative Fortschritt.
Sind alle Geschichten aber bekannt und werden sie – wenn überhaupt – nur noch in Nuancen variiert, stellt sich schnell Abnutzung ein. Zauber und Faszination des jeweiligen Erzählmediums nehmen stetig ab. Die mannigfaltigen Spektren vergangener und hypothetisch zukünftiger Epochen wurden weitestgehend ausgelotet – und selbst hier lässt sich das Erzählte im Regelfall auf den immer gleichen, bewundernswert wirksamen Kern reduzieren. Trieb sei Dank.
Nachdem das Theater immer mehr vom Film abgelöst wurde, wucherten die Ideen verhältnismäßig synchron zur Erschließung neuer Möglichkeiten. War man früher noch auf 1:1 abfilmbare Begebenheiten beschränkt, expandierten die Grenzen recht schnell dank sich dazugesellenden Extras wie Ton, Farbe und den ganzen Rest an manipulativer Möglichkeiten, der heute Standard ist.
Doch irgendwie scheint man nun ja an einer gewissen Grenze zu stehen. Alles, was unsere Sinne aufzunehmen in der Lage sind, lässt sich in Kunst festhalten. Jede annähernd beschreibbare Fantasie lässt sich, das entsprechende Budget vorausgesetzt, meist ohne nennenswerte Konvertierungsverluste für Dritte auf der Leinwand reproduzieren. Der aktuell als nächster Schritt cineastischer Evolution angepriesene 3D-Effekt ist bekanntermaßen ein alter Hut und verspricht auf inhaltlicher Ebene kaum Mehrwert. Eher im Gegenteil, wird er doch zumeist vielmehr zwecks Kompensierung vorherrschender Innovationsarmut angewandt (wobei das Klagen ob dieser ebenfalls seit Anbeginn der Kunst als ständige Begleitung diente, sei’s drum). Markttaugliches HD schafft bestenfalls graduelle Optimierung und das Gros bisheriger Fluchtwege (Geruchskino…) ging meist als erinnerungswürdiges Kuriosum in die Historie cineastischer Erzählkunst ein. Die nächsten vorstellbaren wahrhaftigen Entwicklungssprünge scheinen hingegen augenblicklich unbezahlbar und/oder Science Fiction.
Nochmal: Was also, wenn der Teich der Ideen leergefischt ist? Wovon ernährt sich der Mensch, der nach tristem Alltag auf Entspannung und Realitätsflucht aus ist, wenn die Kunst auf der Stelle tritt? Wer jeden Helden schon hat scheitern, ficken und siegen sehen, frustriert zusehends durch ständiges Recycling. Doch was hilft alles Klagen über stümperhafte, faule und den Massengeschmack fütternde Autoren, wenn sich schlicht nichts Neues mehr finden lässt? Und schließlich beschränkt sich dieses Problem bei weitem nicht auf die Filmindustrie.
Also ein drittes Mal in furchtbar theatralisch: Was geschieht, wenn die Gattung Mensch an die Grenzen ihrer möglichen Kultur gelangt? Wo sie sich letztlich doch durch diese definiert…
Mittwoch, 16. Juni 2010
Das Ende der Geschichte
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